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Harztor/Thuringia- porta ad historiam

von  Tim Schäfer, Niedersachswerfen im Dezember 2021

Das landschaftlich reizvolle Harztor steht zunächst einmal für eine der sagenreichsten Gegenden Deutschlands. Harztor bietet einen wahren Schmelztiegel der Überlieferung aus der Heimat im Südharz im Schatten uralter Reiche seit Menschengedenken. Ur- und frühgeschichtliche Bodenaltertümer - Burgen, auch Steinkreuze (Mühlberg) und alte Straßenzüge (Heidenstieg und Pfade)- sind wertvolle Bestandteile von Harztor, verleihen eine besondere Anziehungskraft. Die alten Ortschaften aus der Ur- und Frühzeit sind hier sagenhaft, nicht nur über die alten Pfade, verwoben. Sehr weit zurück geht es in einigen Chroniken, sagenhaft! Auch auf Hermann den Cherusker (vgl. auch Martin Luther, in Kipper) wird zum heutigen Harztor ein Bezug hergestellt. Der berühmte Kriegsheld Arminius oder Hermann, der legendär für die Varusschlacht im Jahre 9 im Teutoburger Wald steht, sei demnach aus dem Südharz. Hermann sei der, der „insgemein Hertzog Hermann am Hartz genennet worden, auch nicht weit von diesem Schloß ein Dorf zu sehen, so Hermansacker heißet.“, schrieb auch Lesser in seiner Historie der Grafschaft Hohnstein, Band 5, 78r., S.38.

Verklärt wurde auch viele Geschichten aus bspw. dem Bergbau, alten Göttern und Rittern ( Harzungen). Einer Sage zu Osterode-Neustadt nach „beobachtete ein Hirte weißgekleidete Geister beim Kegelspiel. Sie beschenkten ihn mit dem Kegelkönig aus gediegenem Golde.“, (vgl. u.a. Pröhle 1868). Gesandte des Bonifacio (Klosters Fulda) kamen hier zu Rechten und gründeten im Prozess der Christianisierung bei Niedersachswerfen bspw. das Flecken Bischofsrode auf einer heidnischen Kultstätte. Glockenstein, St. Johanniskirche auf dem Johannisberg, am Fuße „Das Höfchen" und Johannismühle, erwähnt 1311 als ecclesia in Byschofrode (vgl. TLDA), gehörten dazu.

Auch im Fleglerkrieg wurde viele kleine Ortschaften hier endgültig zerstört, nur noch Geschichten von diesen Sehnsuchtsorten sind geblieben. Mythen ranken sich besonders um den vormals göttlichen Bielstein(e) bei Ilfeld, wonach sich sogar die ins Licht der Geschichte tretende Grafschaft zunächst benannte. Im Namen von Bonifacius soll eine Figur des göttlichen Biel letztlich zerstört worden sein. Es wird damit andererseits auch der Lauf der Gestirne (Sonne, Venus) verbunden, eine Art frühe Sternwarte? Bei Ilfeld gibt es wenige Reste der Harzburgen zu bestaunen, die womöglich Fluchtburgen waren. Spätestens seit dem Mittelalter sind die Geschehnisse der Orte zu Harztor eng miteinander verwurzelt. Im Übrigen ist Harztor durchaus herausragend, was das mittelalterliche Reich und die Bedeutung sowie Dynamik der Grafschaft sowie insbesondere von Klerus und Bildung, dem Stift Ilfeld, angeht. Harztor bietet ein Exempel für die Gestaltung einer feudalen Ordnung auf engem Raum, die über 500 Jahre hinweg teils überregionalen Einfluss ausübte.

Geheimnisvoll ist die Entstehung der Grafschaft Ilfeld-Honstein selbst. Historiker berichten heterogen und fragmentiert. Es könnte demnach eine ältere Linie der Grafschaft Honstein bereits im 11. Jahrhundert bestanden haben (vgl. Lesser,1065, u.a.), die sich in Bälde mit der Linie Ilfeld-Bielstein verbunden hat. Für „Ilfelds Burgberg“ wird dann zunächst 1103 ein Adelger von Ilfeld genannt (vgl. TLDA), der hier offenbar bereits begütert war (vgl. Becker, s.u.).

Das sagt auch eine Notiz zur Geschichte Ilfelds, die im Landesarchiv Sachsen-Anhalt (A 19 K III, Nr. 863) liegt, wonach „Herzog Heinrich der Löwe der Stammvater des Hauses Braunschweig-Lüneburg, war in jener Zeit, welcher das Kloster Ilfeld seine Entstehung verdankt, I: wie das aus der Heilung seiner Sühne Anno 1203 hervor geht :I der eigentliche Lehnsherr des gegenwärtig den Namen Grafschaft Hohnstein führenden Landstrichs. Zu diesem entstanden aber im Anfange des 12 ten Jahrhunderts außer dem Grafen von Hohnstein und neben demselben die Grafen von Bielstein. – Ilger I: Eilger II I. aus diesem Hause Bielstein stiftete im Jahre 1103 zur Sühne eines begangenen Mords…“ (übertragen von Ralf Napiralla).

Belegt ist 1154 dann Adelgerd von Ilfeld, 1155 comes (Graf, gleichnamiger Sohn). Seit 1178 begegnet ein Burchard von Honstein. 1187 findet offenbar auf dem Riesenhaupt von Niedersachswerfen, vormals eine Motte mit steinernem Wohnturm, ein Landding statt.

Im nahen Kyffhäuser soll heute der Sage nach Kaiser Friedrich der I. Barbarossa seiner und seines Reiches Wiederkehr harren. 1189 ist der Stauffer Kaiser Rotbart mit Gefolge, das letzte Mal reitend die Grafschaft Honstein (Harztor) tangierend, gen Italien zum Dritten Kreuzzug aufgebrochen. Er schwor, die 1187 von Sultan Saladin eroberte Heilige Stadt Jerusalem zurückzuerobern und übertrug seinem Sohn Heinrich VI. (ab 1191 Kaiser) die Regierungsgeschäfte im Reich. Unsere Grafschaft sah sich mithin also vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen und Gestaltung des "Sacrum Imperium" - des Heiligen Reiches, vor vielen Herausforderungen. Dies im Grenzgebiet besonders zu Braunschweig.

Teils erbittert und dramatisch geht es dabei auch um Heinrich den Löwen. Dieser soll Nordhausen 1180 in Flammen gesteckt haben. Wie in der Grafschaft Honstein, mit Burgen, Klöstern und mehr gelang der Aufbau neuer Strukturen in dieser Zeit. Diese Burgen besaßen getreue und verdiente Ritter oder Dienstherren. Als oberster Lehnsherr des Reiches band der Kaiser die geistigen und weltlichen Fürsten durch einen Eid an sich: die Ritter (vgl. auch Harzungen, Hermannsacker…) boten Schutz, die Geistlichkeit sorgte für das Seelenheil und das gemeine Volk erwirtschaftete die Nahrungsmittel, schaffte im Bergbau, Handwerk und übte Dienste aus.

1190 bestätigt König Heinrich VI. per Edikt die Übergabe von Wald an die Stiftung der Grafschaft von Lutrude und Graf Elger II, dem Prämonstratenserstift Ilfeld (ab 1189). Graf Elger II. soll dann mit dem König nach Italien zum Kreuzzug aufgebrochen sein, er verstarb dort offenbar am 13. Januar 1191 (vgl. Becker, Beiträge, 37.Band)). Heinrich VI. wurde u.a. berühmt mit der Gefangennahme des englischen Königs Richard I., Löwenherz, den wir heute aus Legenden, sagenhafter Verklärung zum Ritter der Tafelrunde und nicht zuletzt auch mit Robin Hood, sehnsüchtig von Hollywood inszeniert, vor Augen haben.

Das Stift Ilfeld hat eine zumindest ebenbürtige historische Bedeutung wie die Grafschaft selbst, nicht zuletzt gehörten einige Orte lange zum Stift. Bis ins ausgehende Mittelalter stand es unter der Vogtei der Grafen von Stolberg, die Herzöge von Braunschweig behaupteten außerdem die Schutzherrschaft.
1199 wird ein Heinrich von Eversberch als Marschall des Landgrafen von Thüringen erwähnt (Ebersburg-Hermannsacker). Hat Sachswerfen seinen Namen von dem Geschlecht des Heinrich „de Saxa“, wohnhaft in Nordhausen, der 1232 ein Hohnsteiner Lehen trug (vgl. Mascher)?

Schon erwähnte Sehnsuchtsorte und Burgruinen bietet Harztor „aneinandergereihet“, was sich um Hermannsacker in Burgen kumuliert. 1344 wird die Heinrichsburg als „Hus zu dem Heinrichsberge“ benannt. Zur Burgengruppe Ebersburg bei Hermannsacker, vor 1190 als Schloss Ebersberc erwähnt, zählen Friedenland,1271 mons Vredelant, Schadewald, Lehnberg, niedere und westliche Allzunah (vgl. F. Stolberg), deren Erbauung ab 1247 angegeben ist.

Ein Beispiel für eine Wüstung ist Vockerode bei Hermannsacker, welche um 1160 als Ort bestand. In der Bezeichnung „Hustal" bei Ilfeld-Wiegersdorf könnte das Wort „hus" in der mittelalterlichen Bedeutung für „Burg, festes Haus" verborgen sein. Bereits 1527 wird der Flurname „Frauenburg", der zur o.a. Sage im Kontext stehen kann, als an der frawenburgk erwähnt. Nicht zuletzt kann Neustadt noch aufweisen den Wahl Neustadt und eine Spielberg Schanze (TLDA). Neustadt selbst wird als Flecken (also Ort) unterm Honstein deutlich vor dem 14. Jahrhundert gegründet sein, man bezieht sich heute auf eine Nennung anno 1372, das Flecken Ilfeld dagegen anno 1385, und Neustadt begeht feierlich somit im Jahre 2022 das 650. Jubiläum. Neustadt ist ein Kind der Grafschaft und die Grafschaft war das Patronat. In der Entwicklung von Neustadt bezeugten die Dienstherren des Ulrich Graf zu Honstein bspw. am 3. Oktober 1393 (vgl. Fürstliches Archiv Sdh.): ein Werner von Sachswerfen zu Berge, ein Hanssen von Harzungen. Übrigens soll Neustadt unterm Honstein ab 1531 ein eigenes Stadtsiegel geführt haben.

Weitere berühmte Persönlichkeiten vom Harztor gab es mithin in vielerlei Hinsicht. Dazu zählen ehem. Schüler wie Lehrer der Klosterschule Ilfeld, die heute teils eine Pflegeeinrichtung (Neanderklinik) ist. Herausragend sei der Humanist und Professor Lorenz Rhodomann (1545-1606) genannt, der als Schüler des einflussreichen protestantischen Pädagogen Michael Neander die Klosterschule Ilfeld im Südharz besuchte. Rhodomann wurde in Niedersachwerfen/Harztor geboren. Er avancierte schon in seiner Zeit wegen der Qualität seiner altgriechischen Dichtungen zum „alter Homerus“ (zweiter Homer), gehört zu den prägenden Dichterphilologen. Ihm verdanken wir auch, ein Loblied zu Ilfeld, die Ilfelda Hercynica. Auch berühme Persönlichkeiten der Stadt Nordhausen gehören dazu, wie Friedrich August Wolf.

Harztor steht also als Tor zum Mittelalter im recht engen Zusammenhang mit der Reichsgeschichte, zumindest bis ans Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts.

 

Anhang: 4 Quellen zum Bericht

- mit Übertragung der Texte von Ralf Napiralla
 

 

Urschrift Kloster Ilfeld

 Übertragung des Textes von Neander ca. 1550
(Ralf Napiralla)

(Das) Kloster Ilfeld betreffend

Was Ilfeld bekommt aus allen Herrschaften an Getreide,
welches jährlich kommt, und es bleibt gewiss ein Jahr
wie das nächste kommen muss.
Wieviel man einbringen und einfordern kann aus den Erbregistern,
treulich zusammengestellt.
Auch das man an Getreide in diesen nicht viel mehr bekommen wird.
Auch was es (das Kloster-d.A.) darlegen,
haben und ausgeben muss, zum Haushalt und aller Notwendigkeiten
so dass man in einer Stunde berichten kann, wie hoch ungefähr
die Einnahmen samt den Ausgaben sein sollen.

 

Quelle: Michael Neander ca. 1550,
Kloster Ilfeld Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Wernigerode.

A 19k III, Nr. 194; Michael Neander besorgte als von den
Grafen von Stolberg bestellter Administrator auch
die ökonomischen und
jurisdiktionellen Angelegenheiten des Stifts Ilfelds,
letzteres Privileg für das Stift später verloren ging.

 

Urschrift Ilfelda Hercynica

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J.G. Leuckfeld:
Antiquitatis Ilfeldenses mit Professor Laurentius Rhodomann:
Ilfelda Hercynica
, New York, Library Columbia University

 

Urschrift Stift Ilfeld

Geschichte des Stifts Ilfeld

(übertragen von Ralf Napiralla)

I. Von seiner Stiftung bis zur Reformation 1190-1543

Herzog Heinrich der Löwe der Stammvater des Hauses Braunschweig-Lüneburg, war in jener Zeit, welcher das Kloster Ilfeld seine Entstehung verdankt, I: wie das aus der Heilung seiner Sühne Anno 1203 hervor geht :I der eigentliche Lehnsherr des gegenwärtig den Namen Grafschaft Hohnstein führenden Landstrichs.
Zu diesem entstanden aber im Anfange des 12 ten Jahrhunderts außer dem Grafen von Hohnstein und neben demselben die Grafen von Bielstein. – Ilger I: Eilger II I. aus diesem Hause Bielstein stiftete im Jahre 1103 zur Sühne eines begangenen Mords…

A 19 K III, Nr. 863 Nachricht von den Anfängen Ilfelds (1385)
Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Wernigerode

Diese Nachricht würde bestätigen, dass es, wie beschrieben, einen Grafen Honstein neben dem Grafen von Bielstein gab (ob diese Aussage einer historischen Prüfung standhält, vermag der Autor nicht zu sagen!).

 

Urkunde Anno 1322 - Graf Heinrich von Hohnstein

 

Urkunde Anno 1323

Beide Urkunden aus dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Z 1 Anhaltisches Gesamtarchiv.
Urkunden I, Nr. 625 bzw. Nr. 619, sind der Ortschaft Neustadt bereits eingereicht worden.

 

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